Dieser Beitrag stammt aus den Berliner Einblicken #74, hier als PDF zu finden: Berliner_Einblicke_74.
Zahlreiche Hauptversammlungen von großen Aktiengesellschaften machten in diesem Jahr Schlagzeilen. Doch gingen die Titel zumeist zu Lasten des jeweiligen Managements. Ob RWE, Bayer oder die Deutsche Bank, es weht ein neuer Wind durch die Hauptversammlungen deutscher Aktiengesellschaften. Die Aktionäre entwickeln ein modernes Selbstverständnis: Unabhängig, ob als Kleinaktionär, über Fonds, sonstige Intermediäre oder als nicht-institutionelle Anleger beteiligt, Aktionäre möchten sich heutzutage kritisch einbringen und gehört werden, sie fordern mehr Informationen sowie mehr Mitbestimmung ein. Diesen Mentalitätswandel beschrieb das Handelsblatt: Die Zeiten sind vorbei, in denen sich Aktionäre mit Würstchen und Kartoffelsalat abspeisen ließen.
Diese neue Geisteshaltung trifft auf eine Reihe gesetzlicher Maßnahmen, die als Lehren aus der Finanzkrise gezogen wurden. Dies gilt auch für das zweite Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II), für das Heribert Hirte als Berichterstatter zuständig ist. Dieses Gesetz ist Teil des Aktionsplans Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance. Die politische Richtung tendiert zu mehr Transparenz, Nachhaltigkeit und mehr Verantwortlichkeit. Das ARUG II umfasst zahlreiche gesellschaftsrechtliche Maßnahmen, der größte Debattenpunkt zeichnet sich aber deutlich ab: das Verhältnis zwischen Aufsichtsrat und Hauptversammlung, beispielsweise hinsichtlich der Vergütung des Vorstandes, soll aus Sicht der Union neu justiert werden.
Solch ein Momentum gilt es aus Sicht der CDU/CSU im Bundestag zu nutzen. Langfristigkeit, Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitsprache sind nur in einem ausbalancierten System wirkungsmächtig. Deshalb lehnen Heribert Hirte und die CDU/CSU-Fraktion Verbote und symbolische Obergrenzen, beispielsweise für die Vorstandsvergütung, ab. Warum? Sie wären schlicht wirkungslos, würden willkürlich festgelegt und schränkten die unternehmerische Freiheit unverhältnismäßig ein. Die Vorzüge des dualistischen Systems der deutschen Aktiengesellschaft sind es wert bewahrt zu werden. ARUG II bietet nun die Möglichkeit, nachträglich Missstände auszugleichen und Zuständigkeiten zwischen Hauptversammlung und Aufsichtsrat ausgewogen fortzuentwickeln. Mit der Stärkung der Mitsprache der Hauptversammlung, also der Eigentümer, schaffen wir so ein nachhaltiges Forum berechtigter Interessen.
Hier finden Sie den Regierungsentwurf zu ARUG II.
Die Diskussion um die Höhe der Managergehälter schlägt seit Jahren hohe Wellen in der Bevölkerung. Insbesondere, wenn exorbitante Gehälter und hohe Boni-Zahlungen mit Fehlentscheidungen des Managements, welche mittel- und langfristige Schäden für Unternehmen verursachen, zusammenkommen, fehlt es der Öffentlichkeit zurecht an der Akzeptanz. Insbesondere die DAX30-Unternehmen stehen in Verantwortung, da sie symbolisch für das gesamte „Wirtschaftsgefüge“ stehen. An ihnen manifestiert sich das öffentliche Bild der Beziehung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, gerade deshalb sollten diese Unternehmen den „ehrlichen Kaufmann“ als Leitbild für ihre Arbeit anstreben. Dieser Verantwortung werden die DAX30 auch zum überwiegenden Teil gerecht, es besteht aber punktuell Handlungsbedarf. Diesem kommt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion politisch mit ihrer Arbeit zum ARUG II nach. Eine Auswahl der wichtigsten Regelungen finden Sie im Infokasten.
Die Vergütung des Vorstandes ist ein Beispiel, wie durch das ARUG II-Gesetz eine neue Kultur der Mitsprache etabliert werden soll. Nach der erfolgten ersten Lesung folgt nun das parlamentarische Verfahren mit Diskussionen zwischen den Koalitionsparteien und mit dem Ministerium. Bislang findet das ARUG II-Gesetz in der allgemeinen Öffentlichkeit wenig Beachtung. Aber so ist nun einmal mit Wellen. Welches Ausmaß sie schlussendlich erreichen und mit welcher Kraft sie sich auftürmen, wird oft erst kurz vor dem Ufer in Gänze sichtbar.
ARUG II – ausgewählte Regelungsbereiche im Kern:
- Say On Pay – Verbindlichere Mitsprache für Aktionäre bei der Managementvergütung
Als Reaktion auf die Finanzkrise hat der deutsche Gesetzgeber bereits eine verpflichtende Ausrichtung der Vorstandsvergütung auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung vorgeschrieben. Das ARUG II bietet nun die Gelegenheit, diesen Weg weiter zu gehen. Wie so oft bei europäischen Richtlinien, hat der Gesetzgeber einen gewissen Spielraum, wie er ein Gesetz im Detail ausgestaltet. Führende Rechtspolitiker der Unionsfraktion haben ein gemeinsames Ziel: Die Kompetenz zur Festsetzung und zur Entwicklung einer Vergütungspolitik auch künftig primär beim Aufsichtsrat zu belassen. Auf diese Weise bleibt der wichtige Einfluss der Arbeitnehmervertreter auf die Vorstandsvergütung gewährleistet. Rechtspolitiker der Unionsfraktion möchten gleichzeitig in diesem Prozess die Hauptversammlung mit einem verbindlichen Votum in die Festsetzung der Vorstandsvergütung einbinden. Das Hauptversammlungsvotum soll dabei auf die Möglichkeit der Herabsetzung der Vorstandsvergütung beschränkt bleiben. - Bessere Identifikation und Information der Aktionäre
Aktionäre benötigen belastbare Informationen über die Lage der Gesellschaft und die zu erwartende weitere Entwicklung. Daher wird im parlamentarischen Verfahren zu erörtern sein, wie ein schlüssiges Informationskonzept aussehen kann. Zusätzlich sollen technische Voraussetzungen eine Identifikation der Aktionäre verbessern. - Institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater mit neuen Pflichten
Viele Aktionäre halten Aktien nicht direkt, sondern lassen diese über verschiedene Investmentformen, z.B. Fonds, betreuen. Hier gilt es, neue Regeln hinsichtlich Transparenzpflichten und Offenlegungspflichten zu setzen, um Fehler der Vergangenheit zukünftig auszuschließen. - Related Party Transactions (RPT) – Geschäfte mit nahestehenden Personen
Geschäfte der börsennotierten Gesellschaft mit nahestehenden Personen begleitet immer ein gewisses Missbrauchsrisiko. Hierzu bestehen bereits Regelungen, auf denen ARUG II nun aufbauen kann. Von herausgehobener Bedeutung ist hierbei die Frage, ab welchem Schwellenwert eine Meldeverpflichtung für solche Geschäfte festgelegt werden soll.