Monitoring-Verfahren gegen die Justizreform in Polen


Monitoring-Verfahren gegen die Justizreform in Polen

Dieser Kommetar stammt aus den #83 Berliner Einblicken von Heribert Hirte. Diese als PDF finden Sie hier: Berliner_Einblicke_83. 

Etwas wenig beachtet hat der Europarat in der vergangenen Woche ein bisher noch nie dagewesenes Verfahren eröffnet: Für Polen als erstes EU-Land wird nach der umstrittenen Justizreform das sogenannte Monitoring-Verfahren eröffnet. Was bedeutet das? Der Europarat will nun grundlegend bewerten, ob die demokratischen Institutionen in Polen funktionieren. Ein solches Verfahren wurde bislang nur für Länder wie Russland oder die Türkei geführt. Zur Erinnerung, der Europarat mit seinen 47 Mitgliedern ist institutionell nicht mit der Europäischen Union (EU) verbunden. Aber auch die Europäische Kommission hatte bereits im letzten Jahr ein Vertragsverletzungsverfahren zum Schutz polnischer Richter vor politischer Kontrolle eingeleitet.

Die Angriffe auf den Rechtsstaat, wie in Polen, sollten aber auch nicht die Probleme überdecken, die wir in anderen Ländern Europas und auch in Deutschland beobachten. Besonders der Cum-Ex- Skandal muss uns nachdenklich stimmen und zur Selbstreflektion bringen. Dort fehlte es an Kontrollen, Hinweise wurden nicht ernst genug genommen, die Symbiose zwischen wissenschaftlichen Gutachten, Rechtsprechung und Politik erschuf scheinbar objektive Rechtsgutachten und verpasste dem vermutlich größten Steuerbetrug der deutschen Nachkriegsgeschichte sogar den Anschein von Legalität.

Deswegen werden wir die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 nutzen. Es gibt Grundsätzliches zu besprechen, über das Verständnis der „Rechtsstaatlichkeit“ für die Länder Europas. Selbstverständlich gilt es dabei, die jeweiligen unterschiedlichen Rechtskulturen zu würdigen. Doch die Achtung vor der historischen Genese der Unterschiede zwischen den Ländern darf uns nicht hindern, Aufgaben der Zukunft möglichst gemeinsam anzugehen. Es ist schon heute abzusehen, dass die Digitalisierung auch unsere Rechtssysteme herausfordern wird. Rein formal wird das Thema „Legal Tech“ eine immer größere Rolle spielen, aber auch inhaltlich kommt einiges auf den Rechtsstaat zu: Nicht nur die bereits viel debattierte Hate-Speech im Netz wird ein Thema sein, auch Regeln für die Künstliche Intelligenz, Haftungsfragen, die soziale Verantwortung von Unternehmen im digitalen Raum, Arbeitnehmerrechte, Plattformökonomie, Konsumentenrechte und Nachhaltigkeit sind drängende Themen, die die Rechte unserer Gesellschaft und damit unsere Demokratie beeinflussen werden. Aber eben auch die Frage der Transparenz, der kritischen Kontrolle des Rechtswesens und der Rechtswissenschaften können unseren Rechtsstaat nur stärken. Daher ist es wichtig, das oft technokratische, komplexe Thema der Rechtstaatlichkeit nicht nur den Juristinnen und Juristen selbst zu überlassen. Es ist ein Thema für uns alle.

Vorheriger Artikel Nächster Artikel

Wir verwenden Cookies, um Ihnen einen bestmöglichen Service zu bieten. Die Daten werden zur Optimierung unserer Webseite und zu Online-Marketingzwecken sowie statistischer Auswertung erhoben. Klicken Sie auf „OK”, um der Nutzung von Cookies zuzustimmen. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.