Die Wirtschaft – Herz der europäischen Konstruktion


Die Wirtschaft – Herz der europäischen Konstruktion

Das europäische Wirtschaftsgesetzbuch

„Politik ist nur der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt“, frotzelte einst der (inzwischen verstorbene) Kabarettist Dieter Hildebrandt. Sicher, hinter jedem Witz mag immer auch ein bisschen Ernst, ein bisschen Wahrheit stecken. Aber ist es nicht auch so, dass sich beide Kräfte gegenseitig bedingen, dass nämlich auch die Wirtschaft nur den Spielraum zur Verfügung hat, den die Politik ihr lässt?

Zumindest gehörte es mit zu den Grundprinzipien der europäischen Einigung, den Spielraum der Wirtschaft zu erweitern, über die nationalen Grenzen hinweg. Ein einheitlicher europäischer Wirtschaftsraum, der den Unternehmen grenzüberschreitenden Handel erlaubt, um Wachstum zu schaffen. Trotz bedeutender Fortschritte ist der gemeinsame Binnenmarkt noch nicht vollendet; so fehlt es beispielsweise trotz vieler Angleichungsmaßnahmen immer noch an einem echten grenzüberschreitenden einheitlichen Wirtschaftsrecht. Genau das ist aber die logische Fortsetzung der Marktöffnung zwischen den Mitgliedstaaten. Denn was in der Theorie schon erlaubt ist, erweist sich in der Praxis als schwierig. Unternehmer, die europaweit tätig werden, sind heute einem Flickenteppich von unterschiedlichen europäischen Regeln ausgesetzt. Ein undurchschaubarer „Dschungel“, wie Professor Dr. Reiner Schulze von der WWU Münster den Wildwuchs unterschiedlicher EU-Regelungen beschreibt. Das schrecke vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen ab, die Freizügigkeit des Marktes auszunutzen.

Deshalb gibt es die Hoffnung, dass ein europäisches Wirtschaftsgesetzbuch, welches die bereits existierenden Regeln in einem einheitlichen und geordneten Gesetzestext kohärent zusammenfassen würde, hier Abhilfe schaffen könnte.

Hier geht es zur Informationsseite zum Europäischen Wirtschaftsgesetzbuch. 

Was für die vielen EU-Mitgliedstaaten nicht auf die Schnelle umzusetzen ist, gehen Deutschland und Frankreich bereits an: Im Koalitionsvertrag verpflichtet sich die deutsche Bundesregierung, einen deutsch-französischen Wirtschaftsraum mit einheitlichen Regeln für Unternehmen zu schaffen. Ein modernes Unternehmenssteuerrecht der beiden Länder sieht die Bundeskanzlerin auch als Antwort auf den globalen Wettbewerb. Am europäischen Projekt, also der Schaffung eines „Europäischen Wirtschaftsgesetzbuchs“ arbeitet zudem eine Gruppe deutscher und französischer Juristen unter dem Dach der Association Henri Capitant und mit Unterstützung großer europäischer Thinktanks wie den Juristenvereinigungen und angesehener Universitäten. Bis März 2020 soll der letzte der 13 geplanten Rechtsbereiche abgeschlossen sein, also ein erster vorläufiger Entwurf eines europäischen Wirtschaftsgesetzbuches vorliegen und irgendwann dann hoffentlich den „Wohlstand von morgen“ sichern, wie es im Koalitionsvertrag steht.Heribert Hirte hat nicht vor, sich bis dahin in seinem Plenarsessel zu rückzulehnen und abzuwarten, was die Projektgruppe in zwei Jahren an Ergebnissen vorlegen wird. Er will Wissen bündeln, Unternehmer für das Thema sensibilisieren, auf Fehlentwicklungen aufmerksam machen und selbst aufmerksam gemacht werden. Und so schließlich verhindern, dass es nicht allein bei einem akademischen Projekt bleibt, was politisch nicht umsetzbar und wirtschaftlich nicht brauchbar ist. Deshalb das Treffen vergangene Woche mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Eine eigene, kleine Expertenanhörung, wie ihn Ausschüsse des Deutschen Bundestages regelmäßig machen. Nichts, was ein Bundestagsabgeordneter machen müsste, aber ein Weg, um als einzelner Parlamentarier mit eigenen Ideen und Vorschlägen erfolgreich zur Kenntnis genommen zu werden.

Bei diesem ersten Treffen wurde bereits eines deutlich: Es ist nicht das Ziel, das bestehende gute deutsche Wirtschaftsrecht durch neues europäisches Wirtschaftsrecht zu ersetzen. GmbHs und AGs sollen selbstverständlich erhalten bleiben. Eher geht es darum, den bisherigen Zustand des EU-Wirtschaftsrechts anwenderfreundlicher zu gestalten und von deutscher Seite brauchbare Ideen dafür zu liefern, wie zum Beispiel die einer EU-Gesellschafsform, die der deutschen GmbH entspricht und die in allen Mitgliedstaaten die exakt gleichen Regelungen hat. Das könnte für Start-Up-Unternehmen interessant werden, deren Geschäftsmodelle häufig international funktionieren sollen. Und da wären wir wieder: Beim Spielraum. Ein Feld an Möglichkeiten, welches der Kölner Heribert Hirte, der CDU-Politiker und Rechtsexperte für Gesellschafts- und Insolvenzrecht, der deutschen Wirtschaft eröffnen möchte.

Dieser Text stammt aus den Berliner Einblicken #65: Berliner_Einblicke_65.

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