„Es ist bitter nötig“. Warum wir uns stärker mit Religionsfreiheit befassen sollten.


„Es ist bitter nötig“. Warum wir uns stärker mit Religionsfreiheit befassen sollten.

Gastbeitrag von Markus Grübel MdB, Beauftragter der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit.

In diesem Jahre wurde in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erstmalig das Amt des Beauftragten für weltweite Religionsfreiheit geschaffen. Das ist einerseits ein wichtiges Zeichen, denn es verdeutlicht, welchen Stellenwert die Bundesregierung dem Recht auf Religionsfreiheit einräumt. Es verdeutlicht aber auch, dass es bitternötig ist, dass wir uns stärker mit der Lage der weltweiten Religionsfreiheit befassen.

In einigen mehrheitlich muslimischen Staaten werden Christen von radikal-islamistischen Extremisten verfolgt, bedroht und teilweise getötet. Die Regierungen dieser Staaten betonen zwar ihren Einsatz für die Christen, können blutige Anschläge jedoch häufig nicht verhindern. Beispielhaft ist dafür Ägypten, wo Christen mit einem Bevölkerungsanteil von etwa 10 % eine bedeutende religiöse Gruppe innerhalb der mehrheitlich sunnitisch-muslimischen Gesellschaft bilden. Zu etwa 90 % gehören die ägyptischen Christen der koptisch-orthodoxen Kirche an. Obwohl die Kopten nicht generell politisch oder gesellschaftlich verfolgt werden, hat sich ihre Situation in den vergangenen Jahren stetig verschlechtert – dies gilt insbesondere seit dem Beginn der Umbrüche in der arabischen Welt im Jahre 2011. Seitdem hat es in Ägypten zahlreiche Anschläge muslimischer Extremisten gegen Kopten gegeben, durch die viele Menschen ihr Leben verloren haben. Die Anschläge wurden meistens von Mitgliedern des IS durchgeführt, der den Christen in Ägypten den Krieg erklärt hat. Erst Anfang November 2018 verübte der IS einen Anschlag auf eine koptische Pilgergruppe, die auf dem Weg in ein Kloster im oberägyptischen al-Minja war. Sieben Menschen starben und mehr als ein Dutzend wurden schwer verletzt. Weitere schwere Anschläge des IS gegen die Kopten ereigneten sich kurz vor Weihnachten 2016 in Kairo in der Nähe der koptischen Markus Kathedrale mit 25 Toten sowie am Palmsonntag 2017 in Alexandria und Tanta, als beinahe 50 Menschen starben. Staatspräsident alSisi verurteilt die Gewalt gegen die Kopten scharf, erklärte den Terroristen den Krieg und veranlasste einen besonderen Schutz der Kirchen. Bis heute gelingt es der ägyptischen Regierung jedoch nicht, die Kopten zuverlässig vor Anschlägen zu schützen und für ihre Sicherheit zu garantieren. Daher verliert al-Sisi zunehmend die Unterstützung der Christen, die eigentlich zu seinen traditionellen politischen Unterstützern gehören. Damit kommt auch der IS seinem Ziel näher: der Schwächung des ägyptischen Staates. Sollte sich insgesamt die Sicherheitslage für die Christen in Ägypten nicht verbessern, werden sie in immer größerer Zahl ihr Land verlassen und im Ausland Zuflucht suchen.

Als Beauftragter der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit widme ich mich selbstverständlich nicht exklusiv einer Gruppe! Religionsfreiheit ist ein universelles Menschenrecht. Auch die Lage von Muslimen, Juden, Buddhisten sowie anderen Religionen interessiert mich. Im September dieses Jahres bin ich daher auch zu den aus Myanmar geflüchteten Rohingya gereist. Ich habe die Camps in Cox‘s Bazar in Bangladesch besucht, wo etwa 620.000 Rohingya unter schlimmsten Bedingungen leben. Zwar werden die Grundbedürfnisse in den Lagern befriedigt, aber die Lage der Rohingya ist insgesamt ziemlich aussichtslos. Auch hier brauchen wir dringend eine Lösung!

Verletzungen der weltweiten Religionsfreiheit nehmen zu. Aber es gibt auch Beispiele, die optimistisch stimmen! Das ist das friedliche interreligiöse Miteinander auf lokaler Ebene, über das in den Medien kaum berichtet wird. Als Religionsfreiheitsbeauftragter möchte ich auch darüber aufklären. Denn diese Geschichten sind viel zu wenig bekannt. Oder haben Sie schon mal von Sadaka Reut gehört, einer jüdisch-palästinensischen Jugendorganisation, in der Annäherung geübt wird, wo sonst Unwissenheit und Sprachlosigkeit herrscht?

Dieser Beitrag stammt aus der 5. Ausgabe der Stephanuspost: Stephanuspost_5.

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