Nach der Konferenz in Singapur: Mit geballter Stimme für die Religionsfreiheit


Nach der Konferenz in Singapur: Mit geballter Stimme für die Religionsfreiheit

Am 30. und 31. Oktober 2019 fand die dritte große Konferenz des International Panel of Parliamentarians for Freedom of Religion or Belief (IPPFoRB) in Singapur statt. Mit uns sprach Volker Kauder über die Ergebnisse der Konferenz, die Unterschiede und Gemeinsamkeit im parlamentarischen Einsatz für die Religionsfreiheit weltweit und ob er auch in Zukunft dem IPPFoRB erhalten bleibt. Das Interview stammt aus der 7. Stephanuspost, hier als PDF zu finden: Stephanuspost_7. 

Nach allen Berichten und Studien verschlechtert sich die Situation der Religionsfreiheit weltweit – raubt eine Konferenz wie die IPPFoRB einem nicht jede Zuversicht oder spendet sie doch Hoffnung?

Untersuchungen legen nahe, dass insbesondere staatliche Akteure immer mehr in die Religionsfreiheit ihrer Bürger eingreifen. Dieselben Daten
zeigen allerdings auch – etwa der Bericht des Pew Research Centers – dass interreligiöse Gewalt abgenommen hat. Gerade eine Plattform wie IPPFoRB kann dazu beitragen, kultur- und religionsübergreifende Allianzen zu schmieden, und zwar sowohl auf nationaler Ebene – man denke an die vielen multiethnischen Staaten Asiens – als auch auf internationaler Ebene. Gerade weil sich die weltweite Lage verschlechtert, braucht es Plattformen wie IPPFoRB. Dabei ist bereits die Tatsache, dass Parlamentarier aus aller Welt – etwa auch aus Pakistan und Myanmar – zusammenkommen, um sich für Artikel 18 stark zu machen, ein Zeichen der Hoffnung.

Internationalen Konferenzen wie der IPPFoRB wird oftmals nur die „Macht der warmen Worte“ attestiert. Wie begegnet man solch vorgreifendem Misstrauen?

Dieses Misstrauen wäre gerechtfertigt, wenn sich IPPFoRB ausschließlich in allgemeiner Weise mit der Bedeutung und Reichweite von Artikel 18 befassen würde. Aber die Stärke dieses Parlamentariernetzwerkes liegt gerade darin, grundsätzliche und akute, praktische Herausforderungen miteinander zu verknüpfen. Natürlich müssen wir thematisieren, was Artikel 18 überhaupt umfasst – etwa das Recht, seine Religion abzulegen und zu wechseln – und was er nicht umfasst – etwa einen grundsätzlichen Schutzanspruch für religiöse Gefühle. Dann gilt es, genau hinzusehen: Wovon können wir gegebenenfalls lernen, welche Modelle interreligiöser Verständigung haben sich bewährt und welche spezifischen Herausforderungen ergeben sich von Land zu Land. IPPFoRB setzt dabei auch ganz konkret an und stellt beispielsweise ein „toolkit“ bereit, das Parlamentarier dabei unterstützt, in ihren Ländern parlamentarische Anfragen zu erstellen, oder entsprechende Debatten in ihren jeweiligen Parlamenten zu initiieren und regionale Netzwerke zu schaffen.

Nach New York und Berlin fand nun die dritte Konferenz des IPPFoRB in Singapur statt. Welches Zeichen wollte man mit der Wahl setzen?

Unsere Absicht war es, den asiatischen Raum, insbesondere die ASEAN-Staaten in den Blick zu nehmen. Und zwar in doppelter Hinsicht: Vier der ASEAN-Staaten haben den Zivilpakt über bürgerliche und politische Rechte weder unterzeichnet noch ratifiziert. Durch die ethnische und religiöse Vielfalt sowie durch die politische Dominanz einzelner Religionen, etwa des Islam in Malaysia, wird die Religionsfreiheit in der Region herausgefordert. Daher wollten wir sehen, wie Staaten für die Vielfalt von Ethnien und Religionsgemeinschaften ein gutes Miteinander ermöglichen. Singapur setzt auf ein striktes, meritokratisches Gesellschaftsmodell und einen säkularen Staat. Das Besondere ist allerdings, dass der Staat durch sogenannte „Inter-Racial and Religious Confidence Circles“ interreligiöse Begegnungen sehr stark fördert. Es ging also durchaus auch darum, positive Beobachtungen zu machen.

Sie selbst konnten an allen Konferenzen teilnehmen: Haben sich die Themen über die Zeit verändert, wird heute anders diskutiert als 2015 in New York?

Grundsätzlich haben zwei Themen besonders an Relevanz gewonnen: Zum einen das Erstarken bzw. Wiedererstarken von nationalistischen Ideologien, etwa der Hindutva-Ideologie in Indien, die sich dem Motto „eine Nation, eine Kultur, eine Religion“ verpflichtet fühlt. Die Indische Volkspartei BJP, die nicht nur den Premierminister stellt, sondern in der Mehrzahl der indischen Bundesstaaten regiert, vertritt ähnliches Gedankengut. Eine solche Koppelung von Nationalismus und Religion ist verheerend für die Rechte religiöser Minderheiten in Indien, insbesondere Muslime und Christen. Zum anderen wird Religionsfreiheit verstärkt durch hate speech in sozialen Medien bedroht: auf entsprechenden Plattformen ist eine gemäßigte Diskussionskultur einem enthemmten Klima des offenen Hasses gewichen. Die große Herausforderung, vor der wir hier stehen, ist die Frage, wie wir Hassrede allgemein, aber besonders gegen Religionsgemeinschaften und ihre Mitglieder möglichst unterbinden können, ohne freilich die Meinungsfreiheit unzulässig einzuschränken. Hier ist es entscheidend, Strategien zu entwickeln, die bereits unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit ansetzen, etwa durch Sensibilisierung und das Vermitteln von Social-Media-Kompetenz.

Im pazifischen Raum steigt der Druck auf religiöse Minderheiten; sei es durch staatliche Repression wie in China oder sei es durch den Einfluss
eines radikal verstandenen Islam wie in Indonesien. Wie kann eine einzelne Konferenz so unterschiedliche Problemlagen adressieren?

Es wäre illusorisch zu erwarten, dass eine Konferenz Problemlagen wie in China und Indonesien beheben oder vollumfänglich adressieren kann. Aber: IPPFoRB kann durch sein Netzwerk und sein Know-how einzelnen Akteuren helfen und sie selbst bemächtigen, ihrerseits für Veränderungen einzutreten. IPPFoRB kann zudem mit der geballten Stimme vieler Parlamentarier sprechen und denjenigen, die die Religionsfreiheit missachten, z.B. durch Advocacy-Briefe deutlich signalisieren, dass ihre Vergehen nicht unbemerkt geschehen. Das löst die genannten Probleme nicht, kann aber ein wichtiger Schritt hin zu einer solchen Lösung sein.

Wie können die persönlichen Beziehungen innerhalb des IPPFoRB verfolgten oder bedrängten Menschen helfen?

Gute persönliche Beziehungen stabilisieren das Netzwerk. Auf der Konferenz wurden verschiedene Strategien diskutiert und es wurde deutlich, dass „naming and shaming“ nicht immer das gewünschte Ziel erreicht, ja sogar das Gegenteil bewirken kann. So sehr öffentlicher Druck manchmal das Mittel der Wahl sein kann, so sehr kann auch ein Austausch im Rahmen persönlicher Beziehungen dazu beitragen, ein gemeinsames Anliegen zu fassen und es an geeigneter und gegebenenfalls auch nicht-öffentlicher Stelle anzusprechen.

Die Konferenz richtete zum Abschluss eine Erklärung an den UN-Generalsekretär. Welche Erwartungen haben Sie und IPPFoRB an die Vereinten Nationen gerichtet?

Die „Singapore Declaration of Freedom of Religion or Belief” ist zunächst eine Selbstverpflichtung: Inhaltlich knüpft sie an die Oslo Charter an und betont, dass die Religionsfreiheit in der Würde des Einzelnen gründet. Dieses Bekenntnis mag selbstevident sein. Es ist aber angesichts der Bestrebungen mancher Akteure, die Religion selbst und nicht etwa die Freiheit des Einzelnen zu schützen, von erheblicher Relevanz: Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC), die sich inzwischen „Organisation für islamische Zusammenarbeit“ nennt, und der derzeit 56 Staaten angehören, in denen der Islam entweder Staatsreligion oder die Religion der Bevölkerungsmehrheit ist, beschloss 1990 die „Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam“, die sich als islamischer Gegenentwurf zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte versteht. Dieses Dokument erkennt das Recht auf Religionsfreiheit im Sinne von Artikel 18 in keiner Weise an.

Die gute Zusammenarbeit mit der UN zeigt sich darin, dass der Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, Ahmed Shaheed, als Keynote-Redner an der Konferenz teilnahm, insbesondere für den „Rabat Plan of Action“ warb und erläuterte, dass die politische Instrumentalisierung von Religion, mangelnde Rechtstaatlichkeit, soziale Medien und die Verknüpfung von religions- und sicherheitspolitischen Fragen zu den maßgeblichen Einflussfaktoren von Intoleranz zählen. Wir erwarten daher von der UN, die spezifische Bedrohung der Religionsfreiheit öffentlich sichtbar und hörbar zu adressieren.

Sie haben angekündigt, nicht mehr für den Deutschen Bundestag zu kandidieren. Bleiben Sie dem IPPFoRB erhalten?

Dass ich dem IPPFoRB weiterhin verbunden bleiben werde, steht für mich außer Frage. Zugleich ist es natürlich entscheidend, dass zukünftige Generationen von aktiven Parlamentariern sich den Einsatz für Artikel 18 zu Eigen machen. Die rege Teilnahme an der Konferenz und die
Vielfalt der vertretenen Nationen sind hier ein Grund zur Zuversicht.

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